Die Arbeit eines Verwaltungsrates ist zwar interessant, aber auch zeitaufwendig und verantwortungsvoll. Im Zweifelsfall sollte deshalb ein Mandat abgelehnt oder zumindest eine entsprechende Versicherung abgeschlossen werden. Die D&O-Versicherung soll die versicherten Organe (Verwaltungsrat, GL etc.) vor der finanziellen Belastung, die ihnen durch Prozessführung und die Erfüllung von Haftpflichtansprüchen entstehen schützen. Wann werden Organe haftpflichtig und in wiefern gewährt der Versicherer Versicherungsschutz?

Im nachstehenden Interview befragen wir Herrn Uwe H. Meise zum Thema. D&O-Versicherung resp. Organhaftpflicht.


Nach Art. 754 Abs. 1 OR sind die Mitglieder des Verwaltungsrates und alle mit der Geschäftsführung oder mit der Liquidation befassten Personen sowohl der Gesellschaft als auch den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen.

 

Was gilt als Sorgfaltspflichtverletzung?

Ein Verwaltungsrat hat nicht so gehandelt, wie ein professioneller, sorgfältig handelnder VR in der gleichen Situation gehandelt hätte. Vor allem haben Verwaltungsräte die Pflicht, Gesetze, Verordnungen, aber auch die Satzung und Reglemente der eigenen Gesellschaft einzuhalten.  Dazu gehören z.B. die unentziehbaren und nicht delegierbaren Aufgaben des VR nach Art. 716 a OR, die Grundsätze aus Art. 716 (immer im Interesse der Gesellschaft handeln usw.) und Pflichten bei Verlust der Hälfte des Aktienkapitals oder bei Überschuldung.

Eine Sorgfaltsverletzung ist aber nicht gleichzusetzen mit einem unternehmerischen Fehler. Eine Fehlentscheidung (z.B. eine verlustbringende Investition) führt nicht zur Haftung, wenn die Entscheidung sorgfältig und formell korrekt getroffen wurde.

 

Mit dem Décharchebeschluss beseitigt die Generalversammlung das Klagerecht von Gesellschaft und Aktionären. Kann der VR somit aufatmen?

Die Entlastung des VR durch die Generalversammlung beseitigt nicht alle denkbaren Verantwortlichkeitsansprüche. Sie gilt nur für Tatsachen, die bis dahin bekannt waren, nicht für neue Fakten oder neue Fälle. Sie gilt nicht für Aktionäre, die nicht zugestimmt haben (diese müssen dann aber innert 6 Monaten Ansprüche stellen), weiter gilt sie nicht für Gläubiger der Gesellschaft und sie hilft nicht mehr im Konkursfall.

 

In der D&O Haftpflichtversicherung sind – untypisch für Haftpflichtversicherungen – auch Eigenschäden versichert, nämlich Schäden, welche der Versicherungsnehmer durch ein Fehlverhalten der Organperson erleidet. Was bewegt die Versicherer zu einem solchen  Ausbau des Versicherungsschutzes ?

Man nennt diesen Fall auch „Innenanspruch“, aber es ist gar kein Eigenschaden: D&O-Versicherungen haben die Besonderheit, dass die (juristische) Gesellschaft zwar der Versicherungsnehmer und Prämienzahler ist, sie ist aber nicht die versicherte Person.  Versichert sind nur die (natürlichen) Organpersonen.


Vor allem haben Verwaltungsräte die Pflicht, Gesetze, Verordnungen, aber auch die Satzung und Reglemente der eigenen Gesellschaft einzuhalten.“

Uwe H. Meise

Am Beispiel der der Revisionsstellen zeigt sich deutlich: Es ist attraktiver, gegen eine versicherte Person mit sicherem Haftungssubstrat vorzugehen.Führt nicht gerade das Bestehen einer D&O Versicherung zu Forderungen?                                    

Es mag in Einzelfällen vorkommen, dass „Deckung Haftung erzeugt“. Um dem vorzubeugen, empfehle ich Kunden, den Abschluss einer D&O-Versicherung und vor allem die Höhe der Versicherungssumme vertraulich zu behandeln.

 

Wann ist für einen KMU-Betrieb der Abschluss einer D&O-Versicherung zu empfehlen?

Lassen Sie mich zuerst umgekehrt antworten: Wenn es nur 1 oder ganz wenige Aktionäre gibt, die auch im VR oder der GL tätig sind, es der Gesellschaft finanziell gut geht und sie keine Auslandstöchter hat, ist meiner Meinung nach keine D&O-Versicherung notwendig.

Wenn eine dieser Voraussetzungen nicht gegeben ist oder es z.B. externe Verwaltungsräte gibt, kann der Abschluss einer D&O-Versicherung sinnvoll sein.


Die Entlastung des VR durch die Generalversammlung beseitigt nicht alle denkbaren Verantwortlichkeitsansprüche.“

Uwe H. Meise

Wie alle Versicherungsbedingungen haben auch D&O Versicherungsbedingungen Ausschlüsse und Obliegenheiten, denen besondere Beachtung geschenkt werden muss. Welche Bestimmungen sind das?

In modernen D&O-Policen gibt es nur noch wenige Ausschlüsse. Der vielleicht wichtigste ist der für vorsätzliche (also gewollte bzw. bewusste) Pflichtverletzungen. In der Praxis kann die Abgrenzung zwischen einem nicht versicherten „Vorsatz“ und der versicherten „grober Fahrlässigkeit“ schwierig sein. Die Police sollte eine vorläufige Deckung haben, die solange gilt, bis der Vorsatz rechtskräftig bewiesen ist.
Wie alle Versicherungspolicen enthalten auch D&O-Policen mehrere Obliegenheiten, also Verpflichtungen zulasten des Versicherungsnehmers oder der versicherten Personen, so z.B. in einem Schadenfall (zur Anzeige und Kooperation mit dem Versicherer) oder bei der Änderung des Risikos: dazu gehören u.a. die Meldepflicht beim Kauf einer grossen Tochtergesellschaft, einem Börsengang, einer Konkurseröffnung, aber auch dem Wechsel des Mehrheitsaktionärs.

 

* Uwe H. Meise ist Jurist und Betriebswirt und begann Anfang der 90iger Jahre seine Versicherungskarriere bei der Zürich Versicherung im Bereich der Organhaftpflichtversicherung. Danach arbeitete er über 10 Jahre bei einem international tätigen Versicherungsbroker, die letzten Jahre davon als Teamleiter. 2002 übernahm er die Geschäftsführung des Ausbildungsinstituts IIS Insurance Institute of Switzerland. Seit 2009 unterstützt er Broker bei Haftpflicht- und Spezialversicherungen und leitet und veranstaltet Seminare und Tagungen.