Dem überregionalen GAV des Schreinergewerbes sind 2’900 Betriebe und 16‘300 Arbeitnehmenden unterstellt. (Zahlen 2014). Er ist somit der zweitgrösste Gesamtarbeitsvertrag im Baugewerbe nach demjenigen des Bauhauptgewerbes. Die Zentrale Paritätische Kommission (ZPK) ist in der Schweiz für die Überwachung und den Vollzug des allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrages des Schreinergewerbes zuständig. Die Kontrollen erfolgen auf Baustellen, vor Ort oder in Form von Lohnbuchkontrollen. Im nachstehenden Interview haben wir einem Kontrolleur auf den Zahn gefühlt.

Im nachstehenden Interview befragen wir Herrn Simon Meyer Jurist (MLaw Luzern und Wirtschaftsjurist FH) zum Thema. Gesamtarbeitsvertrages des Schreinergewerbes.



Herr Meyer, im Auftrag der ZPK nehmen Sie  Lohnbuchkontrollen vor. Wieso eigentlich? Neigen die Arbeitgeber dazu, ihre Mitarbeiter zu hintergehen?

Zuerst möchte ich präzisieren, dass ich nicht für die ZPK Kontrolle vornehme, denn die ZPK ist die Rekurs Instanz, welche unter anderem auch für die Auslegung des GAV Schreinergewerbe zuständig ist. Die Kontrollen werden von den einzelnen regionalen Kommissionen in Auftrag gegeben. In der Schreinerbranche sind meiner Meinung nach 90% der Betriebe daran interessiert den GAV korrekt anzuwenden, doch aufgrund der Tatsache dass die Formulierung verschieden ausgelegt werden kann, wird er oft falsch angewendet. Die restlichen 10 % wissen nichts vom GAV oder wenden ihn bewusst nicht an.

 

Was wird konkret kontrolliert?

Das Augenmerk liegt auf den geldwerten Regelungen des GAV, dazu gehören insbesondere die Einhaltung des Mindestlohns (inkl. Feiertags- und Ferienzuschlag im Stundenlohn), 13. Monatslohn, Überstundenauszahlung, Arbeitszeit und Ferien, Führung einer Arbeitszeitkontrolle, Spesenersatz und Auswärtszulagen.)

 

Kontrollen werden im Allgemeinen als unangenehm wahrgenommen. Die Kontrolle erfolgt ja nicht nur mittels Auslosung, sondern auch aufgrund von Denunziationen, z.B. von Mitbewerbern.

Ja, der Betrieb freut sich grundsätzlich nicht, wenn der Kontrolleur vorbeikommt, da es auch administrativen Aufwand mit sich bringt. Es müssen Unterlagen vorgelegt und oft auch nachgesendet werden. Am Tag der Kontrolle muss sich der Betrieb Zeit nehmen, um die Fragen des Kontrolleurs zu beantworten und ihm die geforderten Unterlagen vorlegen.
Aus diesen Gründen versuche ich stehst höflich zu sein und die Kontrolle für den Betrieb so angenehm wie möglich zu gestalten.


Ich würde schätzen, dass in 95% der Kontrollen eine Verfehlung entdeckt wird.“

Simon Meyer

Wie sieht Ihre „Erfolgsquote“ aus?  Es gibt doch sicher bei allen Kontrollen irgendetwas zu beanstanden. Fehlende Arbeitsverträge oder fehlende Stundenrapporte, zu tiefe Löhne, nicht richtig berechnete Sozialleistungen oder Gratifikation. Nicht ausbezahlte Überstunden, fehlende Stundensalden. Ein grosses Potenzial für Nachzahlungen.

Ich würde schätzen, dass in 95% der Kontrollen eine Verfehlung entdeckt wird. Das hat aber auch damit zu tun, dass die meisten Kontrolle aufgrund einer oder mehreren Verdachtsmeldungen erfolgen. Der geldwerte Verstoss variiert dann von bspw. CHF 270 bis über CHF 100‘000.

 

Kann ich als Betrieb nicht mit eigenen vertraglichen Vereinbarungen vom GAV abweichen?

Gemäss Art. 357 Abs. OR sind Abreden, welche zu Ungunsten des Arbeitnehmenden vom GAV abweichen, nichtig und werden durch die Bestimmungen des GAV ersetzt.

Somit schützt das Obligationenrecht solche individuellen vertraglichen Abweichungen nur, wenn der Arbeitnehmer besser gestellt wird. Diese Besserstellung hat als „Ganzes“ zu erfolgen. Grundsätzlich kann aber innerhalb des zugelassen Spielraums des GAV eine individuelle Lösung gefunden werden. In meinen bisherigen Beratungsmandaten habe ich gemeinsam mit dem Betrieb immer eine Lösung gefunden, welche für Arbeitgeber und Arbeitnehmer passen und den GAV nicht verletzten.


Die häufigsten Verfehlungen liegen bei der Überstundenauszahlung, Stundenlohnberechnung, Einstufungsabgrenzung zwischen Hilfskraft und Hilfsmonteur.“

Simon Meyer

Was sind die häufigsten Verfehlungen, welche Sie antreffen?

Die häufigsten Verfehlungen liegen bei der Überstundenauszahlung, Stundenlohnberechnung, Einstufungsabgrenzung zwischen Hilfskraft und Hilfsmonteur.
Sämtliche Auszahlungen von Überstunden sind mit einem Zuschlag von 25% auf dem Normallohn zu vergüten.

Als Normallohn ist gemäss Art. 16 Abs. 1 GAV der Grundlohn inklusiv Anteil 13. Monatslohn zu verstehen. Oft wird in der Praxis kein Zuschlag oder 25% auf den Grundlohn vergütet.
Bei der Stundenlohnberechnung ist darauf zu achten, dass zuerst Grundlohn + Feiertage +Ferien addiert wird und der Anteil des 13. Monatslohnes auf die Summe berechnet wird und nicht auf den Grundlohn.
Bei der Abgrenzung zwischen Hilfskraft und Hilfsmonteur ist immer zu achten, wie oft der Arbeitnehmende auf der Baustelle arbeitet und nicht über was für berufliche Qualifikationen er verfügt.

 

*Simon Meyer ist Jurist (MLaw Luzern und Wirtschaftsjurist FH) und arbeitet aktuell bei der STT Schoch Treuhand Team AG als Jurist, leitender GAV Kontrolleur, Berater und Treuhandsachbearbeiter. Zurzeit befindet er sich in Ausbildung zum eidg. dipl. Treuhandexperte und Master in Treuhand und Unternehmensberatung.